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Von der Natur lernen, heißt siegen lernen

Immer wieder werde ich gefragt, woher ich meine Ideen für MAEVA! genommen habe. Die fantastische, futuristische Seesternstadt an der Ostküste Australiens zum Beispiel (Seite 75-82), wie kommt so etwas ins Buch? Ist dies allein der ausschweifenden Fantasie des Autors zu verdanken? Handelt es sich also um reine Science Fiction? Nein, das tut es nicht. Vor drei Jahren lernte ich in Hamburg den Bionikforscher Lars Liebchen kennen, der sich schon seit längerem mit der Gewinnung von Windenergie beschäftigt und dabei zu erstaunlichen Ergebnissen gekommen ist, welche die Windparks, derer wir uns heute bedienen, wie fossile Spargelfelder aussehen lassen. Ich war von dem Mann derart fasziniert, dass ich ein Porträt über ihn geschrieben habe, nachzulesen in der Edelzeitschrift „Der Hamburger“. Während der Arbeiten an MAEVA! erinnerte ich mich des „verrückten“ Forschers und schrieb seinen Traum auf. Als realen Bestandteil einer Fiktion. Aus Lars Liebchen wurde Ludwig Liebherr, an seiner Vision aber wurde nicht gerüttelt. Hier das Porträt eines Mannes, der uns viel zu geben hätte und gerade dabei ist zu resignieren:

Lars Liebchen schaut mich an, als sei er nicht gewillt, einem intelligenten Menschen wie  mir ein simples Naturgesetz zweimal zu erklären. Er greift sich eines meiner Bücher und stellt es hochkant auf den Tisch. „Das hier,“ sagt er, „ist die Front eines Waldes. Von da hinten nähert sich ein schwerer Sturm. Er trifft mit Wucht auf diese Bäume. Was passiert?“ – „Naja,“ antworte ich, „sie knicken um.“ – „Eben nicht. Die Bäume in der ersten Reihe teilen die Strömung, die sich dadurch enorm beschleunigt, kurz darauf verwirbelt und alles entwurzelt, was sie in den Griff kriegt. Dieses Strömungsprinzip habe ich mir zunutze gemacht. Optimal angewandt könnte es einen Großteil unserer Energieprobleme lösen.“

Ich kann mir ein Lächeln nicht verkneifen. Da tanzt die globale, von Öl, Kohle, Gas und Atomkraft abhängige Konsumgesellschaft ratlos am Abgrund und dieser Mann behauptet allen Ernstes, dass er die Lösung hat für die immer offenbarer werdenden Probleme, die sich aus unserer fatalen Abhängigkeit von eben diesen Energiequellen ergeben. Aber irgendetwas in seiner Stimme verbietet es mir, ihn als Spinner abzutun. Es ist der Anflug von Resignation, der mich aufhorchen lässt. So spricht keiner, der Anerkennung für sich reklamieren möchte, so spricht einer, der unter der Dummheit eines Systems leidet, das aus kapitaler Gier jeden Irrweg konsequent zu Ende geht.

„Die Natur zeigt uns doch, wie es funktioniert,“ sagt er, „man guckt sich das einfach ab und versucht es auf intelligente Weise nachzubauen. Das ist genau das, was wir Bionikforscher machen. Aber man traut uns nicht, weil die Menschen der Natur nicht trauen. Sie halten sich für intelligenter als die Natur. Und schon haben wir ein Problem. Ein Problem übrigens, das außer uns keine andere Spezies hat.“

Lars Liebchen  hat sich in den letzten Jahren einen beachtlichen Namen gemacht. Der ehemalige Gitarrenbauer und Game-Designer treibt seine Vision von sich selbst „ernährenden“ Gebäuden mit Fleiß und Disziplin übers Internet an die Öffentlichkeit. Seine Website besitzt inzwischen Kultcharakter. Die gigantischen Häuser, die Liebchen in die virtuelle Wüste setzt, wirken auf den Betrachter wie Dependancen einer fernen Galaxie. Dabei nehmen sie doch nur die Form eines Seesterns auf, die diesem Wesen von der Evolution zugewiesen wurde, um sich gegen die gewaltigen Strömungskräfte in den Ozeanen behaupten zu können.

„Das geniale an der Natur ist, dass sie mit der Zeit Nachteile in Vorteile umwandelt,“ sagt Liebchen, dessen Häuser in Ballungsgebieten allerdings nicht möglich sind. Kein Platz. Also hat er die Wüsten als zukünftigen Lebensraum der Menschen auserkoren. „In der Wüste hast du Sand. Wenn du Sand hast, hast du Glas, hast du Baumaterial. Man kann aus Sand alles Mögliche machen. Wenn man Sand verdichtet, wird er extrem hart und stabil.“

Die „Seesterne“, die er in den Sand setzen möchte, besitzen fantastische Eigenschaften. Sie fangen zwischen ihren Armen den Wind auf, der sich auf dem Weg nach oben beschleunigt und an der Spitze von einem Windlaser in Energie umgewandelt wird. Durch die Strömungsbeschleunigung wird die Luftfeuchtigkeit zur Kondensation gebracht, „Jedes Gebirge funktioniert nach diesem Prinzip,“ sagt Liebchen. „Auf diese Weise bildet sich Süßwasser, das Süßwasser entsteht praktisch nach dem Windlaserprinzip.“

Die derart eingefangene Energie lässt sich auch problemlos in Wärme und Kälte umwandeln, ebenso einfach lässt sich aus ihr Strom generieren. Und als ob dies noch nicht genug wäre, legt sich jeder „Seestern“ seinen eigenen Garten an, in dem er einen Teil des gewonnen Wassers zur Bepflanzung der Umgebung freigibt.

Haben Sie eine Ahnung bekommen, was Lars Liebchen umtreibt? Ja? Dann denken Sie mal darüber nach, was uns die Politik an Lösungsvorschlägen aus der Energiekrise anzubieten hat. Die Wiederbelebung der Atomkraft zum Beispiel. Lars Liebchen schüttelt den Kopf: „Die Politiker reagieren auf die Vorschläge von uns Bionikforschern nach dem Motto: Nun verdirbt uns mal nicht die Laune. Der Druck auf die Politik muss von der Öffentlichkeit kommen. Das ist ja nicht mein Projekt, das ist euer Projekt, es ist ja eure Zukunft ...

Dieser Artikel erschien 2009 in der Zeitschrift „Der Hamburger“

Zwei Hambürger